Episode 08 – Ende der Eisenzeit

zu Gast: Klaus Steffen und Gernot Tutner

8-ende der eisenzeit

wir sprechen heute über der architektin.
tschuldigung, über DIE architektin.
mit unter und über werden wir immer verwirrt, unter uns gesagt.
die architektin hat, wie wir alle hier unten, einige probleme,
aber wir stehen da natürlich drüber.
und wenn wir da drüber stehen, können wir auch drüber sprechen.

also: über die architektin und die geschichte der architektin.

nur weil es ihre geschichte ist, heißt das nicht, dass sie sie auch erzählen muss. ich erzähle die geschichte. damit das nur mal klar in den raum gestellt ist: es kann schon sein, dass auch jemand anderer mal was sagt als ich, aber das werde dann trotzdem ICH sein.
haben wir das verstanden?

es kann sein, dass die architektin selbst, die mittlerweile in der bunkerband gitarrist ist und sich kaum mehr an ihre anfänge erinnern kann- viele anfänge übrigens, sie hat extrem viele anfänge, auch an der gitarre, anfänge kann sie eindeutig am besten, und wenn es dann zu den mittelteilen und den sogenannten BRIDGES kommt, kann sie sich nicht mehr an die anfänge erinnern, und ein bisschen geht es mir jetzt auch mit diesem satz, aber egal, dann mach ich einfach einen neuen anfang: es kann sein, dass die architektin selbst spricht, es kann auch sein dass der tod, der bürgermeister, die zuschauer*innen, die einsamen herzen oder irgendwelche experten und innen von außen zu wort kommen, aber das wort zu dem sie kommen, ist natürlich von mir, ursprünglich und eigentlich und es ist nach dem sachgemäßen gebrauch wieder sicher und wohlbehalten zu mir zurückzuführen.
hier bei mir steht alles dann wieder zur verfügung.
ich wiederhole das kurz: ich bin alles. alles, was stattfindet und was gesagt oder verschwiegen wird, ist teil von meiner ordnung. ich bin das ende und der anfang. ich bin der bunker, aber das nur nebenbei.

das war jetzt im weitesten bunker eine anmoderation.
sinn! tschuldigung, es muss natürlich sinn heißen: im weitesten sinn eine anmoderation.
sinn und bunker werden hier immer wieder verwechselt, das liegt wahrscheinlich daran, dass die beiden wörter so ähnlich klingen: sinn. bunker.

aber jetzt haben wir uns schon wieder in den weiten des bunkers verloren, irgendwo bei den wörtern, wenn das passiert, dann müssen wir dort stehenbleiben wo wir sind und warten, ob wir vielleicht bei der kassa ausgerufen werden. das geht meistens ganz schnell. ein kurzer schrei, und alle kennen sich wieder aus und die wörter flutschen nur so dahin, wie aus gut geschmierten mündern von ministern.

aber vielleicht ist noch zeit, endlich die geschichte der architektin irgendwo unterzubringen.
wir wissen ja bereits, dass sie hauptsächlich an modellen gearbeitet hat bisher, das liegt an ihrer lebenssituation, während ihre studienkollegen brav fertig studiert haben und bereits einfamilienhäuser, museen und laufhäuser entworfen haben, war die architektin sehr intensiv mit ihrem leben beschäftigt und hat sich die bunkerfrage gestellt. jetzt ist es schon wieder passiert. es ist wie ein zwang. ein syndrom. ich werde einen spezialisten aufsuchen müssen. aber egal: die architektin hat ein paar fristen versäumt und hat sich beim schreiben ihrer diplomarbeit, deren titel so lang ist, dass wir ihm eine eigene episode widmen müssten, ein wenig verzettelt.

diese verzettelung führte dazu, dass sie ein bisschen kleinere brötchen backen musste, um über die runden zu kommen. diese kleineren brötchen waren die modelle, die sie zu einem geringen preis für die architekturbüros ihrer ehemaligen studienkollegen anfertigte, nach deren plänen. punktgenau und detailgetreu. sie verbrachte tage und nächte damit, modelle anzufertigen von häusern, die die architekten dann ihren bauherren präsentieren konnten, damit die sich eine vorstellung davon machen konnten, wie die stadt der zukunft aussehen würde.

darin war die architektin einsame spitze, wobei das gefühl, das sie dabei hatte, mehr einsam als spitze war. vor allem, weil sie in ihrer kleinen wohnung, zwischen all den modellen, die sie angefertigt hatte, einen sehr tiefen und schmerzhaften eindruck davon bekam, wie bunkerlos die stadt der zukunft war. das hatte mit fehlenden strategien, geänderter bauordnung und selbstverständlich mit dem neoliberalen kapitalismus moderner prägung zu tun, dem alle modelle untergeordnet waren.

so saß die architektin also in ihrer wohnung und fragte sich, was sie, die nur an den modellen und nie an den echten häusern herumfuhrwerkte, für einen einfluss auf die stadt der zukunft nehmen könnte. wie es ihr gelingen könnte, diesen gigantischen masterplan, den sie als einzige in ganz graz überblicken konnte, weil er nur von der unsichtbaren hand des marktes entworfen war, zu unterlaufen und zwischen den ritzen der modelle ein kleines utopisches moment zu deponieren, das die übertragung in die sogenannte wirklichkeit unbeschadet überleben oder zumindest überstehen würde.

kurz gesagt: sie verzettelte sich schon wieder, diesmal allerdings in noch größerem maßstab, so dass man sagen müsste: sie verbaute sich. sie verbaute sich die stadt der zukunft, sie verliebte sich in irgendwelche kleinen details unter den fundamenten, sie verlief sich in ihrer eigenen wohnung, und sie verausgabte sich vollkommen. auch finanziell, die modelle waren nämlich sehr schlecht bezahlt und trotzdem verbrachte sie extrem viel zeit mit ihnen, weil sie sich sowas von verguckt hatte in die stadt der zukunft hat, dass es nur eine frage der zeit war, bis sie begann, die verschiedenen lebensmodelle, die ihr während dem bauen durch den kopf gegangen waren, übereinander zu stapeln, und zu dem zu werden, was man landläufig als hochstaplerin bezeichnet.

sie fälschte ihre biographie, ihre zeugnisse, ihren facebookeintrag, ihre kontokarte und ihren führerschein. so kaufte sie sich ein neues leben, das sie unrechtmäßig aber sehr sicher und kompetent führte. und das führen wurde, neben den modellen, zu ihrer großen leidenschaft. sie stieg also zu einer führungskraft auf. sie führte personal in mittleren industriebetrieben, sie führte touristengruppen durch die stadt, sie führte wilde herzen auf der straße zusammen, sie führte die stadt in die zukunft, und sie führte ein erfülltes leben. weil das führen ihr so großen spaß machte, legte sie sich zu ihrem doppelleben noch ein weiteres leben zu, das sie parallel dazu führte. es versteht sich von selbst, dass sie sich wieder verzettelt, um nicht zu sagen: verführte.

dieser sehr unangenehme moment trat im jahr 2012 ein und hatte selbstverständlich mit sex, einer bestellung von reiseführern über mehrere tausend euro, einer umgefallenen weinflasche auf ein modell des neuen grazer rathauses und einem feuerwehreinsatz zu tun. ohne ins detail gehen zu wollen, können wir sagen: die architektin musste weg.

aus einem ihrer leben hatte sie von einem sehr interessanten urlaubsangebot für manager gehört: man wird an einem ort ausgesetzt, den man nicht kennt, und der sehr schwierige überlebensbedingungen, aber auch ein gewisses maß an idylle bereithält. man hat nur die kleidung, die man am körper hat und ein messer. der urlaub ist auf eine bestimmte zeit befristet, und wenn man es schafft, diese zeit zu überstehen, ist es gratis. wenn man allerdings vorher aufgibt und einen ganz bestimmten knopf drückt, damit man von den agenten der reiseagentur abgeholt wird, kostet jeder bis dahin angefangene tag tausend euro. in worten: tausend euro. die bevorzugten destinationen dieses relativ neuen urlaubstrends sind selbstverständlich einsame inseln, aber auch verlassene landschaften und weitläufige bunkeranlagen sind mittlerweile im portfolio.

für die architekin war das die perfekte lösung: so konnte sie gleichzeitig vom erdboden verschwinden und weiter als führungskraft gelten, denn das angebot richtet sich eindeutig an führungskräfte, und ihr plan war es, bis zum ende durchzuhalten, denn nachdem sie die anmeldegebühr entrichtet hatte, hatte sie sowieso nur noch rote zahlen auf ihren diversen konten.

das ist, kurz gesagt, die situation der architektin hier im bunker, die wir kurz mal an ihre anfänge erinnern wollten: würde sie sich jetzt entschließen, den bunker zu verlassen, wäre sie mit einem schlag um knapp 450 000 € verschuldet, und diese schulden würden ihr mit einem weiteren schlag alle masken nacheinander vom kopf reißen und sie hätte wieder nur ihr nacktes leben mit den modellen, die sie dann aber im akkord anfertigen müsste, um irgendwann in ganz ferner zukunft vielleicht auf null zu kommen. auf null zu kommen, wäre für die architektin mittlerweile eh schon das höchte der gefühle. je länger sie unter der oberfläche ist, desto unmöglicher erscheint es ihr, irgendwann auf null zu kommen.

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