zu GAST: LEOPOLD RIEGLER
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und eigentlich wollte ich diesen satz erst sagen, wenn schon ein bisschen mehr zeit vergangen ist,
wenn mindestens ein paar töne und schläge passiert sind,
wenn unser abend schon totalen rhyhtmus hat und zumindest ein höhepunkt stattgefunden hat,
wenn wir das thema schon abgehandelt haben, vielleicht mit einem grellen blitzlichtgewitter und dann das licht ausgeht,
genau dann, mitten ins dunkel wollte ich den sagen, und jetzt ist er fast vorbei und es ist noch gar nicht so weit, und der satz ist zu ende.
welcher satz? der, den du gerade ausgesprochen hast? der ist ausgesprochen gut als anfang, muss ich sagen. der wirkt sehr gut überlegt, jetzt wo er vorbei ist.
ja, aber jetzt, wo er vorbei ist, beiße ich mir in den arsch, weil ich ihn schon ausgesprochen habe.
aber wahrscheinlich im übertragenen sinn in den arsch.
ja, das versteht sich von selbst, das muss ich gar nicht aussprechen, vor allem jetzt nicht, wo es schon vorbei ist.
was ist vorbei?
der satz mit dem arsch und der satz mit der dunkelheit.
NEIN! das wollte ich ja auch erst am ende sagen! ich sehe mich gerade sehr in die enge getrieben von diesen sätzen, die gar nicht stimmen.
sie stimmen nicht?
nein überhaupt nicht.
bis jetzt hat kein einziger satz gestimmt. und zwar weder der erste, der mit “und eigentlich” begonnen hat, noch der letzte, der mit “und zwar” begonnen hat. wobei ich noch etwas anfügen möchte: der satz, der mit “wobei ich noch etwas anfügen möchte” begonnen hat, stimmt bis ins kleinste detail.
jedenfalls wird es beim nächsten wieder schwierig: er beginnt mit jedenfalls. ich hätte ihn lieber nicht ausgesprochen. aber ich habe ihn mal in den raum gestellt. dabei wird mir währenddessen klar, dass ich mich gar nicht so in die enge getrieben sehe.
deshalb kann ich voller zuversicht sagen: ich auch nicht.
und ich fasse zusammen: wir sehen uns nicht in die enge getrieben sondern wir sind auf freier fläche, nur weil herbst ist und alles mit unglaublicher wucht auf uns einprasselt, heißt das nicht, dass wir uns eingekesselt sehen.
mann mann mann! jetzt haben wir uns solange nicht gesehen und jetzt sehen wir uns schon wieder nicht.
und das liegt nicht an dem kessel um uns herum,
der übrigens nicht kessel sondern bunker heißen müsste, entschuldigung,
sondern es liegt daran, dass das licht aus ist. endgültig aus, meine ich.
und darüber wollten wir heute sprechen. miteinander. eigentlich wollten wir uns wieder mal sehen aber daraus ist ja wohl ein großes dunkles nichts geworden.
wir sehen nichts und unterhalten uns dem nichts entsprechend darüber was wir sehen.
sehr gern, wir werden jetzt, wie jedes jahr im bunker, ein paar erklärungen liefern. steuererklärungen, absichtserklärungen, kriegserklärungen, welterklärungen.
die welt, die uns der engagierte jungfilmemacher mit dem leopardenfellmantel hier hingestellt hat, ist dadurch beeinflusst, dass sein budget aus einem topf stammt, der der erinnerung an das jahr 1914 gewidmet ist.
das ist ihm allerdings erst aufgefallen als er schon mitten im projekt war: er hatte bereits hauptfiguren, handlungsstränge, einen mysteriösen schauplatz, der technisch relativ unaufwändig war, und eine besetzung, mit der er sich inmitten der drehzeit befand, als der beginn des ersten weltkriegs und damit das auseinanderbrechen der alten weltordnung ihn wie ein alter bekannter traf und er auf einmal unter druck geriet, weil seine ganze geschichte unter den neuen vorzeichen keinen sinn mehr machte.
und das mitten in der drehzeit der in mitten das und!
es kommt mir gerade.
komisch vor?
dann sollten wir uns auf die unterhaltung konzentrieren, und auf die gegenwart.
es gibt natürlich historische parallelen, die sich, wie zwei alte bekannte, in der unendlichkeit des bunkers treffen. der bunker, erinnern wir uns, ist ja schon so etwas wie ein bruch, ein historischer bruch, außerdem ist er ein wecker. er weckt assoziationen und erinnerungen an dunkle epochen und da haben wir ja schon die erinnerung:
wir waren in der kombüse und haben uns unterhalten und wollten ein projekt machen. dann haben die neuen technologien uns überrollt wir haben die kontrolle verloren, es haben sich wahnsinnige neue möglichkeiten aufgetan, aber gleichzeitig wurden dadurch die körper als körper fast unsichtbar, der ausgang des projekts scheint jetzt von technischen und strategischen planspielen abzuhängen, und ist deshalb verstellt, wir könnten fast sagen, es gibt keinen ausgang, aber nur fast.
wir sind im arsch. im übertragenen sinn: dort wo die sonne niemals scheint.
der bunker hat also nicht nur möglichkeiten sondern auch schwarze löcher im übertragenen sinn aufgemacht und diese arschlöcher haben dann das ganze projekt, und das projekt ist das ganze universum inklusive seiner raumzeit, aufgefressen!
können wir darüber noch eingehender unterhalten?
das “uns” fehlt.
was fehlt uns?
naja. uns fehlt.
uns fehlt das verständnis für solche vorgänge weil es unseren gesunden hausverstand unterläuft.
deshalb sind wir ja hier.
wir haben jetzt unseren gesunden hausverstand gegen einen kranken bunkerverstand eingetauscht.
wie auch immer. gehen wir eingehend weiter.
ja.
es hat uns also zerrissen.
beziehungsweise unsere großväter, wenn wir in historischen parallelen sprechen wollen.
aber wenn wir tiefer liegenden ursachen finden wollen, landen wir im bunker.
das heißt, das projekt “nights im bunker” hat den ersten weltkrieg ausgelöst?
es hätte den ersten weltkrieg ausgelöst, wenn es statt gefunden hätte.
leider konnte es nicht statt finden, weil es unsere großväter zerrissen hat. und raum und zeit auch gleich mit.
deshalb ist jetzt keine zeit mehr, ins detail zu gehen.
immerhin ist der sommer vorbei und wir sind hier in der dunkelheit. kurz gesagt: während der drehzeit dieses bunker-projekts im herbst 2014 und zwar im rahmen einer spezialausgabe am 18.september kommt es wegen des erwähnten gedenkjahres zu einer überdrehzeit und die insassen des bunkers landen im jahr 1913 in berlin, wo kaiser wilhelm gerade die hochzeit seiner tochter feiert und dabei versucht, mit seinen cousins, den monarchen der britischen und russischen großimperien, allianzen zu schmieden. die insassen des bunker aber beschließen, während willi mit den hochzeitsvorbereitungen beschäftigt ist, eine autofahrt mit nicky und georgy zu unternehmen,
was willy so misstrausich macht, dass er sich innerlich von beiden ab- und seinem österreichischen verbündeten zuwendet, der selbstverständlich auch seinen anteil an der sache hat, aber damit hat der bunker nichts zu tun.
jedenfalls führt alles das zu einem großen europäischen krieg, in dem auch der großvater von JENNY in verdun fällt, und zwar, bevor er die möglichkeit hat, seine spätere frau antonia kennen zu lernen. der vater von JENNY wird infolgedessen nie geboren, was dazu führt, dass auch JENNY nie existieren wird. JENNY ist aber für die existenz des projekts “bunker” essenziell.
das projekt findet also niemals statt, es gibt keinen einzigen drehtag.
wer sollte also in die vergangenheit reisen und den ersten weltkrieg auslösen?
niemand!
genau, so ist es. daraus folgt, dass die bunker insassen nicht mit georgy und nicky autofahren gehen und JENNYs großvater überlebt.
und der bunker kann weiter gedreht werden?
prinzipiell ja! allerdings gibt es keinen topf, der dem gedenken an das jahr 1914 gewidmet ist, und deshalb auch kein budget. also praktisch: nein.
wir unterhalten uns über furchtbare dinge und bleiben dabei aber immer so eigenartig beschwingt. das fällt mir auf.
mir auch. es ist eine frage der form.
wenn wir in form sind, produzieren wir einfach unterhaltung.
es geht dahin mit uns.
auch wenn das die betroffenen vielleicht anders sehen werden.
wir sollten nicht denken dass es die betroffenen anders sehen.
im gegenteil. ich bin sehr angetan von dieser unterhaltung und wir sollten das auch in zukunft so halten: beschwingt und anschaulich, für den zeitgenössischen bunkerzuschauer anschaulich dargestellt.
in zukunft. das heißt, unsere unterhaltung hat eine zukunft?
unsere unterhaltung ist die zukunft!
das finde ich wirklich erleichternd, ich hatte nämlich, als sie angefangen hat, das gefühl, dass die dunkelheit absolut wäre und damit das ende des universums erreicht war.
das ist auch der fall,
das haben wir ja auch lang und breit ausgeführt wie ein soldat einen befehl von oben.
oder eine serienschauspielerin ein drehbuch.
genau, und selbstverständlich ist nach diesen ausführungen kein leben mehr möglich.
und dann auch keine unterhaltung.
richtig.
aber wir unterhalten uns doch im moment.
in welchem?
in diesem!
nein nein, der ist vorbei.
das sollten wir nochmal ausführen:
der moment der unterhaltung ist vorbei.
die unterhaltung hat vor ziemlich langer zeit stattgefunden und wird jetzt nur von einem medium reproduziert.
echt?
ja sicher,
oder sehen sie irgendwo zwei menschen,
die sich unterhalten,
wobei jeder einzelne einen eigenen körper mit dazu passender haltung, kleidung, stimme und biographie hat,
die sich in zwei bequemen sesseln gegenüber sitzen?
nein, es ist ja dunkel.
ja eben. und wir haben ja auch nur eine stimme, wie uns sicher aufgefallen ist.
jetzt bin ich doch ein bisschen wie soll ich sagen.