zu GAST: DIE UMHERSCHWEIFENDEN PRODUZENTEN ( RUPERT LEHOFER / SEPPO GRÜNDLER )
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ich würde gerne noch was schnell sagen.
seit die identitären hier eine demonstration veranstaltet haben, ist uns einiges klar geworden.
zum beispiel dass es manchmal wichtig und vielleicht sogar sinnvoll sein kann, mit dem kopf voraus gegen eine mauer zu rennen. man hat die möglichkeit, dinge anders zu sehen, wenn man sich erst mal in seine einzelteile zerlegt hat.
der körper liegt also, in seine einzelteile zerlegt, im bunker herum und irgendwann sagt eines der einzelteile: wir sollten uns endlich mal in ruhe zusammensetzen und ein paar dinge klären. dann entsteht eine gemeinschaft und die gemeinschaft ist dann beim nächsten mal endlich mehr als die summe der einzelnen teile. und das alles verdankt sie der mauer gegen die sie gerannt ist und die jetzt in unseren köpfen ist. da könnten wir übrigens ruhig ein bisschen dankbar dafür sein und uns bewegen!
wir wiederholen jetzt mal ein bisschen, bevor kein stein mehr auf dem anderen bleibt: warum werden wir immer mehr? warum tauchen immer mehr von uns hier auf? der klavierspieler, die knödelfrau, der typ mit den gitarren, die blaskapelle, die tänzerin, die telefonzellenfrau, der fluglehrer, die frau mit den hüten, die friseurinnen, die frau am fenster, der gorilla, die sprayer, um nur ein paar wenige davon zu nennen haben alle auf einmal erweckungserlebnisse, finden sich in unserem bunker ein und sind sich darüber im klaren dass etwas falsch läuft und es zeit ist für eine bewegung oder zumindest einen neuen anlauf gegen irgendeine wand, und wenn die wand nur in den köpfen ist dann heißt das, UND DAS SOLL HIER BETONT WERDEN, nicht dass sie deswegen nicht wirklich ist.
das mit den köpfen und den mauern und der wirklichkeit ist so ein weit verbreitetes missverständnis hier.
aber warum diese gehäuften erweckungserlebnisse? warum kommen jetzt so viele in den bunker, die zwar nicht wissen, warum und wie sie reingekommen sind, aber ganz genau wissen dass sie raus müssen und dass das nur in einem gemeinsamen beweglichen kraftakt geht?
weil die zeichen verschwimmen. und das hat was mit uns selbst zu tun. wir verschwimmen nämlich auch. wir haben es seit versäumt, unser profil zu schärfen. stichwort lebenslauf, freischwimmer und so weiter. eine person, nennen wir sie der einfachheit halber mal ICH ist nach augsburg gekommen ich wollte mich freischwimmen, stattdessen hab ich mich total verschwommen, in diese geschichte. was ist die folge?
ich muss etwas ausholen: das eigene profil zu schärfen, heißt, der außenwelt beziehungsweise dem netz, in dem wir uns bewegen (ohne dass wir es merken) mitzuteilen, wer wir sind.
die beruflichen und privaten netzwerke können sich so ein bild von uns machen und uns mit den profilen zusammenbringen die ähnliche interessen, sehnsüchte, probleme, krisen und magenprobleme haben. das macht alles das netzwerk, mithilfe von fein aufeinander abgestimmten ghostwritern, die aus unseren profilen die profile unserer möglichkeiten filtern, mit denen ausgestattet machen sie sich auf die suche nach einer umwelt.
es handelt sich um ein dichtes nebeneinander von vielen verschiedenen räumen, in denen die jeweiligen profile zusammengeführt werden: es gibt einen raum für elitepartner, einen für hundefreund*innen, für patrioten, für golfspieler*innen, gothic-fans, freunde von ironischen listen und katzenvideos, serienjunkies, gourmets, anarchist*innen, veterinärmediziner*innen, wanderfreundinnen, SM-amateur*innnen, raucher*innen, pädophile, hobbyregisseur*innen, anhänger der kritischen theorie, freimaurer, zahntechniker*innen, bürgermeister*innen, aktivisten, kunstschützen, heckenschützen, gartenfreunde, tierschützer, kellnerinnen, fleischesserinnen, sexbomben, kofferbomben, schweden, austauschstudent*nnen, kunststudent*innen, stalker_innen, gitarristen, und noch ein paar mehr.
durch die profile, die die eigentlichen partnersuche so unglaublich objetkiv macht und an die ghostwriter abgibt, treten überhaupt keine fehler auf und die wirklichkeit tritt uns immer genau so entgegen, wie wir denken.
und dann ist etwas passiert: einzelne automatisierte ghostwriter haben sich gegen die objektive ordnung gestellt und die abgrenzungen zwischen den räumen zum einsturz gebracht. wir können uns das so vorstellen, als beispiel:
ein person, nennen wir sie der einfachkeit halber: DU, wartet auf nachrichten von verurteilten gewaltverbrechern, die eine vorliebe für goldfische haben. wie durch zauberhand aber trudelt eine nachricht von ganz weiter her in die inbox von einem sportlichen ehemaligen geschäftsmann der mit beiden beinen im leben steht. das wirft dich völlig aus der bahn und die verliebst dich, weil du anders gar nicht mehr reagieren kannst auf solche schocks.
eine zeit lang geht das vielleicht gut, aber irgendwann wird dir klar dass dein profil so unscharf ist, dass du auf dein nacktes leben zurück geworfen bist, und als reaktion darauf wirfst du dich gegen das nackte leben und das nackte leben prallt auf die nackte mauer und du kommst drauf, dass du in einem bunker bist.
verstehst du?
wir waren die ganze zeit im bunker, wir haben es nur nicht bemerkt, solange der bunker nach objektiven gesetzen funktioniert hat, und wir immer das gesehen haben, was unseren profilen und lebensläufen entsprochen hat. in dem moment wo sich die ghostwriter gegen die ordnung aufgelehnt haben, hatten wir unsere erweckungserlebnisse und jetzt merken wir dass wir nicht mehr aufgehen in der wirklichkeit die um uns heraum aufgebaut ist.
und die wirklichkeit geht aber auch nicht mehr auf. sie ist ein bunker und draußen – das ist wahrscheinlich die wüste, aber das können wir uns nur vorstellen. darf ich mich vorstellen?
ich bin jenny und ich hatte mein erweckungserlebnis in einem beautysalon auf der schwedenstiege. darauf wollte ich die ganze zeit hinaus. jetzt also die frage was wir damit machen, jetzt wo wir wach sind.